Dr. Adelheid Komenda
Wo und in welcher Funktion sind Sie tätig?
Beschäftigt bin ich im LVR-LandesMuseum Bonn als wissenschaftliche Referentin für den Fachbereich Photographie. Hier verantworte ich die Sammlungs- und Bestandspflege, Ausstellungen sowie in diesem Zusammenhang auch Veröffentlichungen.
Welche Sammlungsschwerpunkte sind in Ihrer Institution vertreten?
Der Schwerpunkt des sehr heterogenen photographischen Bestandes des LVR-LM liegt im Bereich Dokumentar- und Porträtphotographie. Wir beherbergen umfangreiche Nachlässe so von Liselotte Strelow, Hermann Claasen oder Hans-Martin Küsters, zudem die Bestände der Gesellschaft PhotoArchiv als Dauerleihgabe mit bedeutenden Konvoluten etwa von Alfred Eisenstaedt, Robert Lebeck, F. C. Gundlach und Stefan Moses sowie größere Konvolute beispielsweise von Albert Renger-Patzsch, Hugo Erfurth und Tomas Riehle.
Welche Impulse und Angebote sollten aus Ihrer Sicht von einem neuen, wegweisenden Bundesinstitut für Photographie ausgehen?
Es sollte mehrere Funktionen haben bzw. Aufgaben wahrnehmen. Vorrangig sehe ich hier eine ausgeprägt beratende Funktion in Bezug auf den Umgang mit Photographie-Sammlungen und Nachlässen, die Erfassung und Verwaltung von Beständen, Datenbankmanagement, Vermittlung, Vernetzung und Kooperation sowie – besonders wichtig – für die Konservierung.
Meines Erachtens eminent wichtig: Es kann und darf weder hauptsächlich noch alleinig um die künstlerische Photographie gehen (als lediglich einem Segment des Mediums). Vielmehr sollte die Photographie in Gänze und ihrer Vielschichtigkeit bspw. mit Reportage, Dokumentarphotographie, Mode, Design oder auch Sport etc. behandelt werden.
Über welche Ausstattungen / Räumlichkeiten / Einrichtungen sollte ein zukunftsweisendes Institut für Photographie verfügen?
Ein Institut mit großzügigen Räumlichkeiten wäre wünschenswert: Neben Ausstellungsräumen zur Präsentation aktueller Forschungen bzw. Ergebnisse (oder von Beständen), wären begehbare Archiv- und auch Vorlageräume, eine Werkstatt / ein Labor für Restaurierung und Konservierung, ein Photostudio mit Digitalisierungstechnik sowie gesellschaftlich nutzbare Räume wie Vortrags- und Filmraum, Bibliothek mit verschiedenen Arbeitsplätzen und ein Café ideal. Zudem wäre die Nähe zu einer wissenschaftlichen Forschungseinrichtung (Universität, TH, FH etc.) mehr als wünschenswert.
Wie sollte der Austausch zwischen bereits bestehenden, mit Photographie befassten Institutionen mit einem neuen „idealen“ Haus für Photographie gestaltet sein?
Im Vordergrund sollten Austausch und Beratung stehen. Es sollten großzügige Raumkapazitäten vorhanden sein, so könnten beispielsweise von Seiten eines Bundesinstitutes Depotflächen zur Verfügung gestellt werden, gemeinsame Projekte mit den unterschiedlichen Museen und Sammlungen in verschiedenen Bereichen er- und bearbeitet werden. Als Ort bzw. ein Zentrum der Vernetzung und Begegnung wünsche ich mir steten, aktiven und „präsenten“ Austausch (regelmäßige Treffen) mit einer strategisch guten und vor allem klaren Kommunikation und die Einbeziehung aller bereits bestehenden „Photo-Orte“ auf Augenhöhe und vor dem Hintergrund, dass es um unser aller photographisches Erbe geht.
Was bedeutet für Sie „national bedeutsames photographisches Erbe“?
„National bedeutsames photographisches Erbe“ – keine einfache Definition. Generell geht es darum, mit einem Grundbewusstsein die Komplexität des Medium Photographie vor der Folie der nationalen Gegebenheiten und der föderalistischen Strukturen in Deutschland zu betrachten. Es geht um Erhebung und Erschließung, um Bestandssicherung und Bewahrung, um die Schaffung von Perspektiven und nachhaltigen, schlüssigen Konzepten; vor allen Dingen auch in Anbindung und Zusammenarbeit mit bereits vorhandenen Institutionen, Sammlungen und Initiativen, etwa der Deutschen Fotothek Dresden. So vielschichtig wie die Photographie ist, geht es gleichermaßen um Namhaftes wie Unbekanntes, um Historie wie Gegenwart und Zukunft, um alte und junge Positionen, um Vorlässe und Nachlässe – um photographische Bestände allgemein. Es sollte nicht der Anspruch bestehen, dezidiert eine eigene Bundes-Sammlung aufzubauen, sondern um die Stärkung der vielfältigen Sammlungslandschaft. Photographie kennt zudem keine Grenzen; insofern sind internationale Einflüsse und Beeinflussungen sowie eine internationale Zusammenarbeit natürlich ebenfalls wesentliche Items.
Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass es nicht zwingend eines neuen Hauses (Kosten und Folgekosten) als „Zentrum“ bedarf, sondern dass man gut überlegen sollte, ob nicht bereits vorhandene Standorte in den bestehenden Kompetenzen unterstützt und ausgebaut werden könnten – baulich und personell –, was nicht zuletzt ein Tribut auch an historisch gewachsene und gerade in ihrer pluralistischen Vielfalt wichtigen „Beschäftigungsorte mit Photographie“ wäre.
Ein solches Vorgehen wäre mindestens im Sinne einer Dezentralisierung, ein finanziell wahrscheinlich belastbarer Plan – und überhaupt umsetzbar und bedeutend für eine Stärkung der föderalistischen Strukturen. Sinnvoll wäre eine solche „Verteilung“ allemal nicht nur hinsichtlich eines West-Ost-Gefälles, wenn ich mir alleine die Standorte Hamburg, Essen, Köln, Frankfurt, Berlin, Dresden und München betrachte, dann scheinen mir die Voraussetzungen nicht die Schlechtesten. Das Ruhrgebiet / Rheinland ist ohnehin bereits ein Ballungsgebiet in jeglicher Hinsicht – hier muss man eher Acht geben, dass es nicht zu einer ultimativen, absolutistischen Stellung eines etwaigen Zentralinstitutes kommt, mit einer Schwächung bereits bestehender Institutionen.
Kurzbiographie
Studium der Kunstgeschichte, Slawistik und osteuropäische Geschichte in Erlangen-Nürnberg, Köln und Bonn, Promotion. Zuletzt Mitarbeiterin der Deutschen Fotothek Dresden. Seit Februar 2021 wissenschaftliche Referentin für den Fachbereich Photographie am LVR-LandesMuseum Bonn. Ausstellungen und Veröffentlichungen u.a. zu Hermann Claasen, Liselotte Strelow, Hugo Erfurth und zur Photographie in der Weimarer Republik.