Prof. Beate Gütschow

In welchem Bereich der Photographie und Kunst sind Sie tätig?

Ich arbeite als Künstlerin mit dem Medium Photographie, dies jedoch in einem erweiterten Sinn, da ich beispielsweise auch 3D-Techniken und Zeichnung integriere. Darüber hinaus lehre ich an der Kunsthochschule für Medien in Köln.

Was vermissen Sie bei den in Deutschland derzeit aktiven Institutionen im Bereich der Photographie? 

Ich vermisse eine starke Vernetzung der Institutionen untereinander. Die Vernetzung findet auf KuratorInnen-Ebene statt, dort gibt es viele Kooperationen. Mein Traum wäre jedoch, dass die photographischen Bestände aller Museen in einer Datenbank zugänglich wären.

Welche Impulse und Angebote sollten aus Ihrer Sicht von einem neuen, wegweisenden Bundesinstitut für Photographie ausgehen?

Neben KünstlerInnen-Vor- und Nachlässen sollten meiner Meinung nach auch photographische Archive aus dem angewandten Bereich im Bundesinstitut Platz finden. Das Konzeptpapier zum Bundesinstitut nennt die Bewahrung von digitalen Photobeständen. Dieses wäre zu erweitern, um die Bewahrung von digitalen Plattformen wie beispielsweise Instagram, photosync, trumblr, Snapchat usw. für zukünftige Generationen zu sichern, einerseits zur historischen Erforschung ihrer Wirkungsweise auf das Medium Photographie, andererseits um künstlerische Arbeiten zu erhalten, die auf diesen Plattformen stattfanden.

Zur Restauration: Wünschenswert wäre, wenn das Institut historische Aufnahmen und Abzugsgerätschaften samt der nötigen Verbrauchsmaterialen wie Filme und Fotopapier erhält, um Reproduktionen auf der Originalmaschine zu gewährleisten. Dies geht natürlich nur bis zu einem gewissen Grad. Die Produktion der Industrie setzt hier Grenzen, zum Beispiel bei Ersatzteilen für Maschinen. Auch für die photogeschichtliche Forschung möglichst alle historischen und gegenwärtigen Kameras zu sammeln, wäre wünschenswert.

Ziel des nationalen Institutes wäre es einerseits, eine zentrale Forschungsstelle zu dem Medium Photographie zu werden, andererseits wichtige künstlerisch-photographische Nachlässe und wichtige angewandte photographische Archive zu beherbergen. Zu überlegen wäre, wie mit KünstlerInnen-Vor- und Nachlässen umzugehen ist, die zu Lebzeiten sehr viel Geld erwirtschaftet haben. Hier wäre es denkbar, dass die Kosten, die die Betreuung des Nachlasses verursacht, aus einer Stiftung finanziert werden, die die/der KünstlerIn zu Lebzeiten gegründet hat.

Zu diskutieren ist auch – und das vermutlich in der Zukunft zunehmend – was denn überhaupt ein photographisches Bild ausmacht, also Einlass ins Archiv finden darf. Sind 3D-Photogrammetrie Photographie? Ist ein vollständig im 3D-Programm erstelltes Bild ein Photo, wenn es aussieht wie ein Photo? Was ist mit all den Arbeiten, die zwischen Photo und Bewegtbild fließend angesiedelt sind, was mit den skulpturalen Photoinstallationen? Die künstlerische Photographie entgrenzt sich ja zunehmend; es wird eine spannende Aufgabe des Instituts sein, Kategorien zu finden, welches Bild als Photographie gelten darf.

Welche Bedingungen/AnsprechpartnerInnen müssten gegeben sein, damit KünstlerInnen/Photographinnen oder NachlassverwalterInnen eine Zusammenarbeit anstreben?

Für alle KünstlerInnen ist es wichtig, dass die Bestände, die sie ins Bundesinstitut geben, lebendig bleiben: digital zugänglich, für Ausstellungen auszuleihen, restauratorisch und wissenschaftlich vernünftig betreut. 

Was bedeutet für Sie „national bedeutsames photographisches Erbe“? 

Hier stellen Sie ja die Frage, wer die Auswahl der aufzunehmenden Bestände trifft, wer ist also als Gatekeeper fungiert. Ich bin der Meinung, dass diese Aufgabe auf mehr Personen ausgedehnt werden sollte, als das zurzeit geplant ist, beispielsweise könnten alle Photo-KuratorInnen der deutschen Museen Vorschläge machen. Außerdem müsste es eine Möglichkeit geben, sich als KünstlerIn selbst für einen Vorlass oder einen Nachlass zu bewerben.

Kurzbiographie

1993–2000, Hochschule für bildende Künste, Hamburg

1997, National Academy of the Arts, Oslo

2009–2010, Gastprofessur an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig

Seit 2011 Professur für Künstlerische Photographie an der Kunsthochschule für Medien, Köln

Einzelausstellungen u. a. Museum of Contemporary Photography, Chicago; Haus am Waldsee, Berlin; Kunsthalle, Nürnberg; Kunsthalle im Lipsiusbau, Dresden; Fotogalleriet, Oslo; Berlinische Galerie, Berlin

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