Prof. Joachim Brohm

In welchem Bereich der Photographie und Kunst sind Sie tätig?

In der künstlerischen Praxis und in der Hochschulausbildung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.

Was vermissen Sie bei den in Deutschland derzeit aktiven Institutionen im Bereich der Photographie?

Das vorhandene Spektrum der an Photographie orientierten Stiftungen, Sammlungen und Museen in privater und öffentlicher Hand mit unterschiedlichsten Intentionen und Schwerpunkten finde ich in der Vielfalt grundsätzlich erst einmal gut! 

Welche Impulse und Angebote sollten aus Ihrer Sicht von einem neuen, wegweisenden Bundesinstitut für Photographie ausgehen?

Es geht zunächst darum, Kriterien zu formulieren, wie sich das „national bedeutsame Erbe“ zusammensetzt – ohnehin schwer genug – und auf welche Weise eine zentrale Erschließung und Sicherung ausgewählter Konvolute sinnvoll und notwendig wäre, oder aber darum, festzustellen, inwieweit bereits auf anderweitig aufgearbeitete und institutionell gesicherte Werkkomplexe zurückgegriffen werden kann. Danach gilt es, entsprechende Initiativen zu entwickeln um:

1. wichtige, aber bislang wenig beachtete, unterrepräsentierte oder schlicht übersehene Werke/Gruppen/Archive ans Licht zu holen, zu sichern und öffentlich einsehbar zu machen.

2. von den bereits mancherorts gesammelten und relevanten PhotographInnen/KünstlerInnen/Werken einen vollständig dokumentierten Hintergrund/Werkverzeichnis mit entsprechenden Originalen und Dokumentationsmaterialien für Forschung und Lehre zu bilden, um damit eine neutrale, wissenschaftlich orientierte Informations- und Sammlungsplattform zu schaffen.

3. immer im Abgleich und in Kooperation mit den heute bereits existierenden Sammlungen / Institutionen Werkverzeichnisse zu erarbeiten. Um Dopplungen und Ungleichgewichtungen möglichst zu vermeiden, ist der gegenseitige Austausch zu fördern. Daher wird es unumgänglich sein, die entsprechend qualifizierten, existierenden Sammlungen / Institutionen in Deutschland so zu vernetzen, dass deren mehr oder weniger reiche und erschlossene Bestände in die Gesamtkonzeption der Aufgaben des neuen Instituts einbezogen werden können.

Welche Bedingungen/AnsprechpartnerInnen müssten gegeben sein, damit KünstlerInnen/PhotographInnen oder NachlassverwalterInnen eine Zusammenarbeit anstreben?

Es sollte eine möglichst klare Definition dessen geben, was mit „national bedeutsamem Erbe” gemeint ist und welche Leistungen das neue Institut im Rahmen seiner Zielsetzungen zu erbringen in der Lage sein wird. Damit würden KünstlerInnen/PhotographInnen und NachlassverwalterInnen in die Lage versetzt, sich zu positionieren und initiativ zu werden. 

Was bedeutet für Sie „national bedeutsames photographisches Erbe"? 

Diese Frage ist von mir als Künstler und vielleicht generell von einzelnen Personen nicht befriedigend zu beantworten, dazu ist die Ausgangslage und der heutige Stand von Forschung und Bewertung photographischer Werke zu komplex. In diesem Zusammenhang spielen auch die mögliche Situierung, Ausstattung und generelle Zielsetzung des geplanten Bundesinstituts eine Rolle, dessen Aufgaben zurzeit ja noch nicht klar umrissen sind. Es wäre sicher die Arbeit eines kompetenten Gremiums notwendig, die hierfür nötigen Definitionen und Kriterien zu erarbeiten.

 

Kurzbiographie

1983, Diplom Visuelle Kommunikation/Photographie an der Universität Essen GHS/Folkwang

1984, Master of Arts, Ohio State University, Columbus/Ohio, Dept. of Photography and Cinema

1988, Stipendium Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung für zeitgenössische deutsche Photographie

seit 1993, Professor für künstlerische Photographie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, von 2003 bis 2011 Rektor

Einzelausstellungen u.a. Museum Folkwang, Essen; Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum; Galerie Fotohof, Salzburg; Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf; Fotomuseum, Winterthur; FotoMuseum Provincie Antwerpen; Josef Albers Museum Quadrat, Bottrop; Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln; Kunstmuseum Kloster Unser lieben Frauen, Magdeburg; Kulturforum NRW, Düsseldorf

 

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