Stefanie Grebe

Wo und in welcher Funktion sind Sie tätig?

Seit 2015 leite ich die Fotografische Sammlung und das Fotoarchiv des Ruhr Museums mit ca. 4.000.000 Photographien. Als Ausstellungskuratorin und Sammlungsleiterin bin ich verantwortlich für den Erwerb, die Pflege der Sammlung, Erforschung, Vermittlung und Ausstellung. Ohne die zurzeit fünf festen MitarbeiterInnen, eine Teilzeitmitarbeiterin und die Werkstudentin wären diese Aufgaben nicht zu bewältigen. Unser Fotoarchiv ist mit der Website www.fotoarchiv-ruhrmuseum.de mit über 700.000 Bildern online vertreten. (Bei www.bpk-bildagentur.de finden sich mehr als 4000 Photographien). Das Ruhr Museum ist Teil des „Zentrums für Fotografie Essen“ mit den Partnern Museum Folkwang, Historisches Archiv Krupp und Folkwang Universität der Künste. 

Welche Sammlungsschwerpunkte sind in Ihrer Institution vertreten?

Das Fotoarchiv besitzt vor allem dokumentarische Photographien, Pressephotographien und angewandte Arbeiten aus den Bereichen Werksphotographie, Atelier, Architektur und Werbung, aber auch AutorInnen-Photographien, die sich geografisch oder inhaltlich mit dem Ruhrgebiet auseinandersetzen. Bis jetzt sind wir ein analoges Archiv mit dem Schwerpunkt, geschlossene Negativbestände zu sammeln. 

Welche Impulse und Angebote sollten aus Ihrer Sicht von einem neuen, wegweisenden Bundesinstitut für Photographie ausgehen?

Impulse: Im Bundesinstitut sollten alle Fäden zusammenlaufen; es sollte eine Verbindungsstelle für alle Photographie-Institutionen und Sammlungen Deutschlands werden. Die dort bereits vorhandenen Kompetenzen sind derartig hoch, dass der Mehrwert vor allem darin liegt, die Sammlungen, bzw. ihre MitarbeiterInnen in Austausch zu bringen, zu vernetzen und durch Kooperationen zu verbinden. Über eine Datenbank kann die Vernetzung und der Lagerort der photographischen Bestände in Deutschland so auch international sichtbar gemacht werden. Technologische Standards im Bereich der Photorestaurierung sollten vom Bundesinstitut ausgehend gesetzt werden.

Angebote: Zu Fragen der Materialität, Medialität und Ikonizität der Photographie sollte es hochkarätige Bildungsangebote für unterschiedliche Zielgruppen, Symposien, Einzelberatungen, eine zu konsultierende Bibliothek / Mediathek und andere Veranstaltungsformate geben. 

Über welche Ausstattungen / Räumlichkeiten / Einrichtungen sollte ein zukunftsweisendes Institut für Photographie verfügen?

Es sollte ein Haus sein, das in erster Linie die mit der Photographie in all ihren Spielarten arbeitenden Menschen verbindet und Räumlichkeiten für praktisch und theoretisch Forschende, Seminarräume, Bibliothek, aber natürlich auch Depots, Nass-, Forschungs-, Computer-, Scan-, Digitalisierungs-Labore, ein Photostudio und Ausstellungsflächen bereitstellt. 

Wie sollte der Austausch zwischen bereits bestehenden, mit Photographie befassten Institutionen mit einem neuen „idealen“ Haus für Fotografie gestaltet sein?

Hier wird der entscheidende Punkt formuliert: Die bereits bestehenden Sammlungen und Institutionen formen zusammen erst das Bundesinstitut. Die föderale Organisationsstruktur soll im Institut sichtbar werden. Es soll alle AkteurInnen zusammenführen und vernetzen, wobei das Bundesinstitut selber hoch qualifizierte MitarbeiterInnen hat, die in allen relevanten Bereichen den Institutionen beratend und helfend zur Seite stehen sollen. Das könnte Fragen zur Forschung, zum Wissenstransfer, zur Restaurierung, Sammlung, Digitalisierung und zum Recht betreffen.

Bereits vor der Gründung des Bundesinstituts sollte es Arbeitsgruppen geben, die das Institut mitformen, in der Gründungsphase sollte es mindestens zwei DirektorInnen geben, die zusammen mit einem Beirat den laufenden Betrieb immer weiter reflektieren.

In kleinerem Rahmen praktizieren wir im Zentrum für Fotografie Essen bereits diese „ideale“ Kooperation. 

Was bedeutet für Sie „national bedeutsames photographisches Erbe“?

Vorausgesetzt, die Formulierung „national bedeutsames photographisches Erbe“ beinhaltet, dass dieses einen Ort im Bundesinstitut finden soll, sind Konflikte vorprogrammiert, die aber durchaus über die Aufwertung aller photographischen Sammlungen im Land zu lösen wären. Tatsache ist auch, dass es mehr interessante – also „national bedeutsame photographische“ – Arbeiten aus allen Bereichen der photographischen Produktion gibt, als Bearbeitungskapazitäten vorhanden sind. Auch diesen Fakt, der eine archivalische Grundkonstante ist, muss das Bundesinstitut im Zuge seiner Bildungsarbeit vermitteln, bzw. Lösungen finden. Es muss ein intelligent besetztes Gremium geben, das über die zu bearbeitenden Bestände und ihre gewünschten Aufbewahrungsorte, im Bundesinstitut oder an anderem Ort, entscheidet.

 

Kurzbiographie

Stefanie Grebe ist Kuratorin, Dozentin und Photographin. Studium Philosophie, Geschichte, Soziologie (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf); Kommunikationsdesign: Bildjournalismus, künstlerische Photographie und Konzeption/Rezeption (Universität GHS Essen, jetzt Folkwang Universität der Künste und und UIAH Helsinki); freie Kunst (Kunstakademie Düsseldorf); DAAD-postgraduierten Stipendium (Los Angeles und Boston).

Seit 2015 Leiterin der Fotografischen Abteilung des Ruhr Museums auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen. Ausstellungen und Veröffentlichungen zu Chargesheimer, Erich Grisar, Josef Stoffels, Albert Renger-Patzsch, Ergun Cagatay (ab Juni 2021), Kuratorin von „Some Stories about Goods“ (Pingyao, China, 2019 mit Arbeiten von Natascha Borowsky, Henrik Spohler, Kai Löffelbein und Wilhelm Reimers).

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