Boris Becker

In welchem Bereich der Photographie und Kunst sind Sie tätig?

Im künstlerischen Bereich der Photographie und im Autorenfilm, als ehemaliger Verleger und in der Lehrtätigkeit. 

Was vermissen Sie bei den in Deutschland derzeit aktiven Institutionen im Bereich der Photographie? 

Ich werde das Gefühl nicht los, dass die in Deutschland tätigen Institutionen, Hochschulen, Museen, Vereine und Verbände überwiegend ihr eigenes Süppchen kochen. Das ist sicher in jedem Einzelfall begründbar, aber es steht einer kollegialen und einvernehmlichen Zusammenarbeit zu oft im Weg. Es wird auch zu wenig Wert auf die wertfreie Diskussion um die Konservierung und Restaurierung zeitgenössischer Photographien gelegt. Innerhalb der Verbände überwiegt meiner Meinung nach auch eine fortschreitende Zerstrittenheit, angesichts der rasanten Veränderungen und Erweiterungen der künstlerischen Photographie. 

Welche Impulse und Angebote sollten aus Ihrer Sicht von einem neuen, wegweisenden Bundesinstitut für Photographie ausgehen?

Dieses Institut könnte das Sprachrohr aller in Deutschland tätigen Institutionen sein, die sich mit dem Medium Photographie auseinandersetzen. Zentrale Anliegen der Photographie, wie die Betreuung von Nachlässen, das Konservieren und Restaurieren, die ein einzelner Verband, eine einzelne Galerie oder Museum nicht behandeln und in der Öffentlichkeit thematisieren kann, sollten ein wesentlicher Bestandteil dieses Bundesinstitutes sein. Die Corona-Pandemie hat u.a. gezeigt, dass die Photographie als künstlerische Disziplin noch keine vollständige Akzeptanz im Bewusstsein der Öffentlichkeit erlangt hat. Dies zeigt sich nach wie vor an der unterschiedlichen Einstufung in der Berechnung der Umsatzsteuer. Das Bundesinstitut könnte auch eine verbands- und interessenübergreifende Plattform zur wertfreien Diskussion über die Zukunft und Weiterentwicklung der Photographie darstellen. Es sollte ein Forum für die unterschiedlichsten Präsentationsformen der Photographie sein: das Buch, die Ausstellung, das Editorial, der virtuelle Rundgang, die digitale Präsenz im Internet. 

Welche Bedingungen/AnsprechpartnerInnen müssten gegeben sein, damit KünstlerInnen/Photographinnen oder NachlassverwalterInnen eine Zusammenarbeit anstreben?

Es müssten meiner Meinung nach geeignete zentrale Rahmenbedingungen gerade für photographische und künstlerische Nachlässe geschaffen werden, die in der Folge von lokalen Verbänden, Institutionen und Sammlungen wahrgenommen werden. Ich denke da zum Beispiel an Lehrangebote zur Restaurierung und Digitalisierung von Nachlässen, Forschung und Entwicklung zur Thematik geeignete Archivierungs- und Lagerungsmöglichkeiten. Das Institut sollte sich nicht nur selbst verwalten, sondern auch Ansprechpartner in den unterschiedlichsten Fragen der Photographie sein: vom Urheberrecht/Folgerecht über die Ausstellungspraxis bis zur Interessenvertretung gegenüber globalen Anbietern medialer Werke.

Was bedeutet für Sie „national bedeutsames photographisches Erbe”?

Ich habe leider ein Problem mit dem Begriff „national bedeutsames photographisches Erbe". Er scheint mir angesichts der Globalisierung und der internationalen Arbeitsweise veraltet. Ich würde da eher pragmatisch vorgehen und ein wie auch immer geartetes „photographisches Erbe“ erst einmal mit dem Sichern und Sammeln bestehender und zukünftiger Nachlässe behutsam antreten.

 

Kurzbiographie

1982–1984, Hochschule der Künste, Berlin

1984–1990, Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Bernd Becher, Meisterschüler 1988

seit 1989 zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland

1996, Chargesheimer-Stipendium der Stadt Köln

1996–1997, Stipendium der Deutschen Akademie Rom, Villa Massimo

2003, Künstlerhaus Lukas, Ahrenshoop (für 2004)

2004, Stipendium Künstlerdorf, Schöppingen

2008, Stipendium Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf/Land Brandenburg

2017, AKM Kunstpreis, Koblenz

2019, Kunstpreis der Künstler, Die Grosse, Düsseldorf

2005–2006, Gastprofessur an der Hochschule für Künste, Bremen

2010–2011, Vertretungsprofessur an der Kunsthochschule für Medien, Köln

2018, Lehrauftrag für Photographie an der Rheinischen Fachhochschule, Köln

 

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